Ideas into movement
Boost TNI's work
50 years. Hundreds of social struggles. Countless ideas turned into movement.
Support us as we celebrate our 50th anniversary in 2024.
Die Flüchtlingskrise, der sich Europa ausgesetzt sieht, hat für Verunsicherung in den Korridoren der Macht gesorgt und eine hitzige Debatte auf den Straßen Europas ausgelöst. Dabei sind tief greifende Verwerfungen im gesamten europäischen Projekt freigelegt worden, da es den Regierungen nicht einmal in einem begrenzten Rahmen gelingt, sich auf eine Aufteilung der Flüchtlingskontingente zu einigen, und sie sich stattdessen gegenseitig Vorwürfe machen. Rechtsextremistische Parteien haben in von der Sparpolitik gebeutelten Gemeinschaften an Popularität gewonnen, indem sie einem willkommenen Sündenbock die Schuld an der Wirtschaftsrezession zuschieben, statt sie bei der weitgehend unberührten und unberührbaren Banking-Elite zu suchen. Wer am meisten leidet, sind die vor schrecklicher Gewalt und Not fliehenden Menschen, die an Grenzen oder im Niemandsland zwischen den Staaten hängen bleiben und gezwungen sind, immer gefährlichere Routen in die Sicherheit zu wählen.
Es gibt jedoch auch eine Interessengruppe, die von der Flüchtlingskrise und im Besonderen von den Investitionen der Europäischen Union in die „Sicherung“ ihrer Grenzen nur profitiert hat. Es handelt sich um die Militär- und Sicherheitsunternehmen, die die Ausrüstung für den Grenzschutz, die Technologie für die Grenzüberwachung und die IT-Infrastruktur für die Verfolgung von Bevölkerungsbewegungen liefern. Dieser Bericht rückt diese Grenzsicherungsprofiteure in den Blickpunkt und geht den Fragen nach, wer sie sind, welche Leistungen sie erbringen, wie sie die europäische Politik beeinflussen und von ihr profitieren und wie sie von den Steuerzahlern finanziert werden. Der Bericht zeigt, dass diese Unternehmen alles andere sind als passive Nutznießer der Nachlässigkeit der EU, sondern dass sie sich vielmehr aktiv für die zunehmende Befestigung der europäischen Grenzen einsetzen und bereit sind, für diesen Zweck immer drakonischere Technologien zu liefern.
Der perverseste Aspekt, den der Bericht aufzeigt, ist jedoch die Tatsache, dass manche Nutznießer von Grenzsicherungsverträgen zugleich zu den wichtigsten Waffenlieferanten in den Mittleren Osten und nach Nordafrika zählen und so den Konflikt schüren, der so viele Menschen in die Flucht treibt. In anderen Worten sind es genau die Unternehmen, die die Krise verursachen, die dann von ihr profitieren. So plant die Europäische Kommission unter dem Banner der „Bekämpfung illegaler Immigration“, die Grenzschutzagentur Frontex in eine mächtigere Europäische Grenz- und Küstenschutzagentur umzuwandeln. Diese würde die Kontrolle über die Grenzsicherungsbemühungen der Mitgliedsstaaten haben, selbst eine aktivere Rolle als Grenzschützer spielen und zum Beispiel eigene Ausrüstung erwerben. Unterstützt wird die Agentur durch EUROSUR, ein EU-System zur Vernetzung der Grenzkontroll- und Grenzüberwachungssysteme von Mitglieds- und Drittstaaten.
Die Militarisierung der Grenzsicherung spiegelt sich auch in den militärischen Zielen der „European Union Naval Force – Mediterranean – Operation Sophia“ (EUNAVFOR Med) und im Einsatz von Militär an zahlreichen Grenzen, unter anderem in Ungarn, Kroatien, Mazedonien und Slowenien, wider. Die NATO unterstützt die Sicherung der Außengrenzen der EU im Mittelmeer bereits aktiv mit Marineeinsätzen. Unterdessen werden Länder außerhalb der EU dazu gedrängt, als Grenzschutzvorposten zu fungieren, damit Flüchtlinge die EU-Grenzen am besten gar nicht erst erreichen. Die jüngsten Vereinbarungen der EU mit der Türkei zur Kontrolle der Migrationsströme, die von Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert werden, verweigern den Flüchtlingen den Zugang nach Europa und haben zu einer Zunahme der Gewalt gegen sie geführt.
Der Bericht zeigt, dass
Insgesamt belegen die Fakten eine zunehmende Interessenkonvergenz zwischen Europas politischen Führern, die nach der Militarisierung der Grenzen streben, und seinen größten Verteidigungs- und Sicherheitsanbietern, die die damit verbundenen Leistungen erbringen. Es geht hier aber nicht nur um eine Frage von Interessenskonflikten oder die Geschäftemacherei mit der Krise, es geht auch um die Richtung, die Europa in diesem kritischen Moment einschlägt. Vor über einem halben Jahrhundert warnte der damalige US-Präsident Eisenhower bereits vor den Gefahren eines militärisch-industriellen Komplexes, dessen Macht „unsere Freiheiten oder demokratischen Prozesse in Gefahr bringen“ könnte. Heute haben wir einen sogar noch mächtigeren militär- und sicherheitsindustriellen Komplex mit Technologien, die nach innen und nach außen zielen und momentan auf einige der verwundbarsten und verzweifeltsten Menschen auf unserem Planeten gerichtet sind.
Diesen Komplex ungeprüft gewähren zu lassen, stellt eine Bedrohung für die Demokratie dar, und für ein Europa, das auf einem Ideal der Zusammenarbeit und des Friedens errichtet worden ist. Eisenhower drückte es seinerzeit so aus: „Auf dem Pfad der Geschichte, die noch geschrieben werden muss, ... muss es unsere immer kleiner werdende Welt vermeiden, zu einer von schrecklicher Angst und Hass erfüllten Gemeinschaft zu werden, und stattdessen ein stolzer Bund gegenseitigen Vertrauens und Respekts sein.“